Leseprobe: Prinzen & Prinzessinnen Kapitel 1


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DIE PRINZESSIN NEW BRITAINS

Heute war der Tag.
Ich stand gegen die offene Balkontür meines Zimmers gelehnt und beobachtete meinen kleinen Bruder Jeremy, der im hinteren Teil des Schlossgartens, auf dem eingezäunten Fußballplatz, zusammen mit seinem Personaltrainer Maxwell ein paar Bälle kickte. Seine morgendliche Fitnessstunde war eigentlich für heute bereits beendet, doch da Maxwell wusste wie sehr Jeremy Fußball liebte und die Wetterlage es zuließ, hängte er noch eine weitere Stunde dran. Fußball spielen war für Jeremy pure Entspannung.

Mit dreizehn Jahren bereits einen Fitnesstrainer zu haben war, in unseren Kreisen, nichts Ungewöhnliches. Schließlich musste das Bild des zukünftigen, perfekten Thronfolgers aufrechterhalten werden. Theoretisch müsste Jeremy, jetzt in der Bibliothek sitzen und etwas über die Geschichte unseres Landes, oder noch besser, der ganzen Welt lernen, doch praktisch sah das ganze anders aus. Da konnte es schon ziemlich nützlich sein, wenn man einen Fitnesstrainer hatte, der Fußball ebenso vergötterte wie man selbst. Für mich persönlich war es immer wieder schön zu sehen, dass mein Bruder den täglichen Zwängen des Königshauses in diesen Momenten entfliehen konnte und einfach nur Kind sein durfte. Denn in den wenigen Augenblicken, in denen Jeremy einen Ball vor sich her kickte, war er wirklich er selbst. Ein Privileg, das man als Mitglied der Königsfamilien nicht oft zugestanden bekam. Mein kleiner, lieber Jeremy, der in ein paar Jahren ein ganzes Land regieren würde...

Jeremy konnte von Glück reden, das diese Sportart nach den großen Kriegen überhaupt noch existierte, da viele Dinge danach verändert oder sogar ganz abgeschafft wurden. Die Oberhäupter der New Lands beschlossen aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und sich nur noch auf die Wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Sportarten zum Beispiel, die man als nicht ertragreich genug betrachtete, wurden offiziell eingestellt, wobei ich glaubte, dass das so gar nicht möglich war. Von einer Sportart wie Fußball, die auf der ganzen Welt gespielt wurde und extreme Begeisterung auslöste, ließ man allerdings die Finger. Genauso blieben die alten Religionen bestehen. Auch den Beginn eines neuen Jahres feierte man noch wie vor hundert Jahren. Außerdem behielt man ein paar wenige Feiertage, da diese die die Moral der Bevölkerung heben sollten, bei, legte sie nur weltweit auf den gleichen Tag. Außerdem gab es strenge Regeln was die Thronfolge betraf. So sahen die Gesetze der New Lands beispielsweise vor, dass der Thronerbe Männlich sein musste, was meiner Meinung nach unsere Welt wieder zurück ins Mittelalter versetzte. Daher war Jeremys Geburt von Anfang bis Ende durchgeplant gewesen. Vater musste sich seit Jeremys Geburt also keine Sorgen darüber machen, wer nach ihm New Britain regieren wird. Das Land würde weiterhin im Besitz der Familie bleiben.

Den Prinzessinnen blieb dagegen nur die Option in ein anders Königshaus einzuheiraten. Sollte es jedoch keinen gebürtigen männlichen Nachfolger geben, war es eine gängige Methode mit einem bevorzugten Königshaus einen Ehevertrag auszuhandeln. Diese Verträge sollten natürlich die politischen Beziehungen zwischen den New Lands stärken und  nicht selten wechselten dabei Unsummen an Geld den Besitzer. Wie schon gesagt: MITTELALTER!
Allerdings verstand es sich von selbst, dass offiziell, nicht von diesen Eheverträgen gesprochen wurde. Für die Öffentlichkeit brachte man einfach, ganz zufällig, eine Prinzessin mit einem Prinzen zusammen. Hier ein Bankett, dort eine Feierlichkeit und schon rollte die ganze Sache. Dann wurde, von Seiten der Presse, natürlich noch ordentlich die Werbetrommel für das neue Traumpaar gerührt. Ab diesem Zeitpunkt fieberte die Bevölkerung mit und hoffte dass sich zwischen den beiden wirklich etwas entwickeln würde. Vorzugsweise natürlich die wahre Liebe, den das war das beste Fundament für ein starkes Königspaar.

Sollte man sich also dazu entscheiden seine Tochter, sein Kind, sein Fleisch und Blut zu verscherbeln, standen dafür aber auch nur die Prinzen zur Verfügung, die nicht in die Pflicht genommen wurden, ihr eigenes Land zu regieren. Hatte ein Königshaus allerdings mehrere Söhne konnte der Erstgeboren seinen Anspruch auf den heimischen Thron an einen seiner Brüder abgeben um die Thronerbschaft in einem anderen Land anzutreten.

Prinzipiell hatte ich ja nichts dagegen einzuwenden, für einige Prinzessinnen war diese Methode schließlich die einzige Möglichkeit um irgendwann selbst Einfluss auf die Regierung eines Landes zu nehmen, denn man wusste: Ein König war nur so gut wie seine Königin. Außerdem hatte die Vergangenheit gezeigt, dass sich ab und zu bei diesen Verträgen wirklich eine Liebesbeziehung zwischen einem Prinzen und einer Prinzessin entwickeln konnte. Also hatte ich, wiegesagt, nichts gegen diese Methode, jedenfalls solange ich nicht selbst davon betroffen war. Und da es meinen Bruder gab sollte ich von dieser Sache auch nicht betroffen sein, doch dank meines Vaters, stand mein Name in genau so einem Vertrag.

Normalerweise sollte ich mich, in genau diesem Moment,  darauf freuen, mir in naher Zukunft einen Ehemann suchen zu dürfen. Schließlich würden dann, eigens für mich, ein Haufen Bälle veranstaltet werden, aber da mein Vater, aus Gründen die mir bis heute Schleierhaft sind, bereits ein paar Monate nach meiner Geburt, mit dem König New Euros einen Ehevertrag aushandelte, blieb mir die Chance die wahre Liebe zu finden versagt.  Vielleicht war es Torschlusspanik gewesen die meinen Vater dazu veranlasst hatte, mich dem Prinzen New Euros zu versprechen, vielleicht wollte er mich auch einfach nur loswerden. Ich wusste es nicht. Was ich dagegen wusste war, dass ich es ihm niemals verzeihen würde, mir meine eigene Entscheidung und damit meine Freiheit genommen zu haben. War es da also sehr ungewöhnlich dass ich mich nicht gerade Kooperativ zeigte? Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen kam noch dazu, das ich den Prinzen New Euros, nicht ausstehen konnte.

Mein Bruder dagegen brauchte sich, wenn es soweit war, nur für die Dame seines Herzens zu entscheiden und ich war mir sicher, dass ihm jede einzelne zu Füßen liegen würde.
Ich hingegen musste jeden Sommer, seit meinem sechsten Lebensjahr, mit der Person verbringen die ich am wenigsten leiden konnte.


Ein kurzes aber bestimmtes Klopfen durchbrach die wunderbare Stille meines Zimmers und beendete meine Gedanken. Keine Sekunde später wurde die Tür geöffnet. Hatte ich Herein gesagt?

«Lady Lilija?», tönte es von der Zimmertür.
«Rogers», entgegnete ich und drehte mich langsam zu dem besten Hauptmann meines Vaters um. Rogers war ein hochgewachsener, drahtiger Mann der sich am Ende der vierziger befinden musste. So genau hatte ich nie darüber nachgedacht. Sein kurzgeschnittenes Haar wurde bereits an den Schläfen grau und seine durchdringenden braunen Augen waren zu jeder Tages und Nachtzeit wachsam.
«My Lady, es ist Zeit.» Er verbeugte sich tief.
«Sagt mir nochmal, warum ich jeden Sommer mit einem Prinzen verbringen muss, den ich nicht leiden kann und der nicht minder weniger für mich empfindet.»

«Ihr seid die Prinzessin dieses Landes, Majestät.»
«Hat mein Vater selbst, meine Mutter, nicht aus Liebe geheiratet? Oder tat er es weil es von ihm verlangt wurde?»
«Majestät, ich bin wirklich nicht die richtige Person…» Ich unterbrach ihn.
«Oh das seid ihr gewiss. Schließlich kennt ihr meinen Vater länger als ich, und ihr habt auch meine Mutter besser gekannt. Was würde sie dazu sagen?»
«Eure Mutter, Gott hab sie Seelig», er bekreuzigte sich schnell, «wäre bei dieser hervorragenden Verbindung, sehr stolz auf euch gewesen.»
«Ist das so?» Ich drehte mich weg von Rogers. Weg von den Verpflichtungen, die man als Prinzessin dieses Landes hatte. Weg von einer Zukunft, die ich für mich selbst nicht sehen konnte.
Mein Blick schweifte erneut über den Palastgarten. «Würde meine Mutter nicht eher wollen, dass ich aus Liebe heirate und nicht aus Pflichtgefühl?»
«Wenn ihr Prinz William nur eine Chance geben würdet-», stammelte Rogers schwächlich bevor ich ihn brüsk unterbrach. «Eine Chance? Dieser Prinz hat es überhaupt nicht verdient, eine Chance zu bekommen. Er ist ein aufgeblasener Angeber der-» plötzlich unterbrach ein zaghaftes Klopfen meinen Anflug von Rage. «Herein», sagte ich schärfer als beabsichtigt.

Zaghaft wurde die Tür geöffnet. «Majestät.» Ein Knicks in meine Richtung. «Rogers.» und ein kurzes Nicken an ihn. «Ich wollte mich nur von euch verabschieden, aber ich kann auch später wieder kommen?»

In der Tür stand meine Zofe und beste Freundin Julia.
Juli war die Tochter der Zofe meiner Mutter gewesen, und somit genau wie ich im Palast geboren und aufgewachsen. Sie wirkte auf jeden, dem sie begegnete, vom ersten Moment an offen und freundlich. Da sie selbst im Sommer sehr blass war, wirkten ihre hellblonden Haare und die blauen Augen noch strahlender. Offiziell war sie zwar meine Zofe aber eben auch der einzige normale Mensch in einem Palast von Verrückten, der mich wirklich kannte, einmal abgesehen von meinem Bruder. Und als beste Freundin war es nur natürlich, dass sie sich von mir verabschieden wollte.
Wir würden die nächsten drei Monate schließlich fast eintausend Kilometer entfernt voneinander verbringen. Dieser Gedanke steigerte meine Laune nicht im Geringsten.
Doch genau in diesem Moment, in dem sie unschlüssig in meinem Zimmer stand, setzte sich ein interessanter Gedanke in meinem Kopf fest.

«Rogers, wenn mein Vater darauf besteht, mich erneut nach New Euro zu schicken, dann werde ich dieses Mal nicht alleine gehen.»
«My Lady? Ich kann euch nicht folgen.»
«Julia wird mich begleiten. Schließlich bringt Prinz William schon seit Jahren seinen Freund mit hierher. Ich sehe es einfach nicht mehr ein, dass der Prinz mehr Rechte hat als ich.»
«Ich?», flüsterte Julia.
«Ganz genau. Wir brauchen uns nicht voneinander verabschieden, denn wir gehen gemeinsam.»
«Majestät, wir haben einen sehr engen Zeitplan. In einer Stunde müssen wir am Flughafen sein»,  gab Rogers zu bedenken.
«Wohl kaum. Das Flugzeug fliegt erst los, wenn ich an Bord bin», entgegnete ich trocken. Ich konnte regelrecht sehen wie Rogers um Fassung rang. Gut so.
«Also Julia, eine halbe Stunde Zeit hast du zum Koffer packen. Ist das für dich in Ordnung?» Das Grinsen auf meinem Gesicht wurde immer breiter.
«Ähm, ja. Das sollte ich schaffen.»
«Perfekt.» Ich klatsche euphorisch in die Hände und wandte mich wieder an den Mann, der nun seine, bereits getroffenen, Sicherheitsvorkehrungen überarbeiten musste. «Rogers, ihr könnt diese Neuigkeit gerne meinem Vater überbringen», kam es zuckersüß aus meinem Mund.
«My Lady.» Sichtlich schockiert verbeugte er sich mit einer fließenden Bewegung und verließ umgehend das Zimmer.


«Bist du dir sicher Lili?», fragte Julia immer noch irritiert. Sie hatte sich noch keinen Millimeter bewegt und war etwas blass um die Nase geworden.
«Natürlich», bekräftigte ich. «William bringt seit Jahren Bromley mit hier her. Warum soll ich dann nicht auch jemanden mitnehmen dürfen?»
Sie sah mich skeptisch an. Mein Mut, den ich eben noch gezeigt hatte, schmolz regelrecht wie Eis in der Sonne. «Außer natürlich, du möchtest nicht…», gab ich kleinlaut von mir.
«Was? Nein! Das ist es nicht. Ich begleite dich gerne nach New Euro. Es ist nur… Ich war noch nie woanders also in einem anderen Land mein ich.»
«Oh.» Meine Zuversicht kehrte zurück. «Mach dir keine Sorgen. In New Euro ist es genau wie hier. Es heißt nur anders.»
«Und was muss ich da so einpacken?» Nun grinste Juli mich an und ich war mir zu einhundert Prozent sicher, dass die kommenden drei Monate nicht ganz so ätzend verlaufen würden wie die vergangenen Sommer. «Komm, ich helfe dir beim packen.» Ich nahm meine beste Freundin an der Hand und wir eilten zu den Räumlichkeiten im Dienstbotentrakt, die sie mit ihren Eltern bewohnte. 

~*~

Zwei Stunden und vier weitere Schrankkoffer später, okay… das Packen hatte etwas länger gedauert, saß ich in einem bequemen, mit hellem Wildleder überzogenem Sessel des Jets, der Julia und mich nach New Euro bringen würde. Zuvor hatte Jeremy total verschwitzt vor der schwarzen Limousine gestanden, um sich von mir zu verabschieden. Um mir ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern bat er mir sogar an, dass er sich gerne als Ehemann zur Verfügung stellen würde, sofern ich nach diesem Sommer meine Meinung über Prinz William wieder nicht geändert hätte. Diese Worte hatten mir meinen Abschied noch schwerer gemacht.  Er wusste ganz genau wie sehr ich die Sommermonate verabscheute obwohl der Sommer eigentlich meine liebste Jahreszeit war. Mit einer letzten, festen Umarmung und dem Versprechen mich regelmäßig bei Jer zu melden ließ er mich gehen. Mein Vater hingegen war nicht gekommen um mich zu verabschieden. Früher hatte ich mir eingeredet, dass er eben ein sehr beschäftigter Mann war, aber in den letzten Jahren musste ich mir eingestehen, dass wir seit dem Tod meiner Mutter einfach keinen Draht mehr zueinander hatten. Juli hatte einmal gesagt, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass ich meiner Mutter so ähnlich sah.

Die Autofahrt durch die Straßen Londons bis zum Flughafen verging im Eiltempo und auch der Flug nach New Euro würde aufgrund von Rückenwind nur zwei Stunden dauern. Für meinen Geschmack war das ein bisschen zu kurz, aber für Julia wohl genau richtig. Sie hatte, wie sich herausstellte, Flugangst.
Meine beste Freundin krallte ihre Hände fest in die Armlehnen ihres Sessels.
«Hey Juli, entspann dich. Das Reisen mit einem Flugzeug ist die sicherste und schnellste Art, von einem Ort zum anderen zu gelangen.»

«Ja, das hast du schon mal gesagt.» Ihre Stimme zitterte. «Kannst du mich bitte irgendwie ablenken, Lili? Erzähl mir irgendwas!»
Irgendwas?? Okay… Aber was?
Doch dann kam mir die Zündende Idee.
«Was ist eigentlich mit dir und Ethan?» Ethan war der neuste Stern in unserer Palastküche und würde in einem Jahr seine Lehre zum Koch abschließen um dann den Platz des Chefkochs einzunehmen.

«Was sollte mit ihm und mir sein?»
«Na ihr hattet doch ein paar Dates oder?»
«Ja, aber so ist es nicht zwischen uns. Ethan ist nett, aber naja ich weiß nicht ob ich Lebenslang an den Palast gebunden sein will. Bitte versteh mich nicht falsch, aber irgendwie habe ich den Traum das dieses Leben mehr für mich bereit hält als nur deine Zofe zu sein.»
«Ich dachte Ethan gefällt dir?»
«Ja schon, aber Aussehen ist doch nicht alles. Auch wenn man zuallererst darauf guckt, oder? Deshalb solltest du auch froh sein, das dein Vater dich nicht Milán oder Qadir versprochen hat. Wenn man sich diese beiden so ansieht, ist Prinz William wirklich eine hervorragende Alternative. Außerdem ist New Euro, aufgrund des Einflusses den William genießt, eine exzellente Wahl für einen Verbündeten», stellte sie Sachlich fest.
Mir war vollkommen klar, dass wir Verbündete brauchten. Und das New Euro eine wirklich gute Wahl war, wusste ich selber, aber William war es eben nicht. Musste ich denn wirklich meine Verpflichtungen, meinem Land gegenüber, über mein eigenes Leben stellen?
«Ich wusste nicht das dich die Brille die Ethan trägt so stört.» Den Kommentar über William überging ich vorerst.
«Ach, das ist es doch nicht. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich im Palast festsitze wenn ich den Lehrling des Kochs heirate. Du wirst nicht ewig im Schloss leben Lili. Selbst wenn du William nicht heiratest wirst du irgendwann jemand anderen finden, und dann wirst du in ein anderes Land ziehen und ich bin dann alleine…»
«Du würdest doch mitkommen.»
«Ja genau», unterbrach sie mich. «und meinen Ehemann in New Britain zurücklassen.» Sie seufzte tief. «Du bist meine beste Freundin und ich liebe dich wie eine Schwester, aber ich möchte nicht ewig die Dinge tun die ich bis jetzt getan habe.» Obwohl das Gespräch nicht den erwarteten Verlauf nahm, registrierte ich erleichtert, das Julias Stimme schon viel weniger zitterte. «Weißt du, ich verstehe dich ja. Ich meine, ich würde auch nicht gerne irgendwen als Ehemann vorgesetzt bekommen. Aber ist William wirklich so schlimm? Immer, wenn ich ihn getroffen habe, das letzte Mal ist zwar zwei Jahre her, aber da war er doch immer sehr nett.» Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass William Nett zu ihr gewesen sein sollte. Er interessierte sich doch für niemanden außer sich selbst und schon gar nicht für irgendwelche Dienstboten. Dieses Mal war ich es die seufzte. «Juli, das alles läuft auf eine arrangierte Hochzeit hinaus. Findest du nicht, dass das ein ziemlicher Rückschritt in der Emanzipation der Frau ist? Selbst vor den großen Kriegen waren arrangierte Ehen weitestgehend abgeschafft.»
«Ja schon, aber diese Welt existiert nicht mehr. Heutzutage kommt es auf Bündnisse an und obwohl New Britain ein starkes Königreich ist, ist es doch eines der kleinsten. Wir brauchen dieses Bündnis.»
«Ich weiß selbst, wie sehr ein kleines Königreich auf Bündnisverträge angewiesen ist und natürlich kann man von diesen Bündnissen nicht genug haben. Aber warum muss das auf meinem Rücken ausgetragen werden? Es gibt auch andere Länder, die aufgrund von politischer Freundschaft Bündnisse schließen», entgegnete ich gereizt.
«Freundschaften sind noch lange nicht so stabil wie das Band, das durch eine Heirat geknüpft wird», sagte sie schlicht. «Es ist zwei Jahre her, dass ihr euch das letztemal gesehen habt. Meinst du nicht, dass William erwachsen geworden sein könnte?»

Ich glaubte nicht wirklich daran obwohl Julia in diesem Punkt Julia die Wahrheit sagte. Ich hatte meinem Vater, letztes Jahr, davon überzeugen können das ich gerade in einer depressiven Phase steckte und mich nicht in der Lage fühlte Zeit mit William zu verbringen. Ein bisschen süßholzraspeln, in Form eines Versprechens, das ich mich dann im kommenden Jahr voll auf meine Aufgabe konzentrieren würde, hatte meinen Vater schließlich überzeugt.  Die Idee war mir gekommen, nachdem das verwöhnte Prinzchen von New Euro, ein Jahr zuvor eine drei Monate anhaltende Grippe vorgetäuscht hatte. Und ich wusste das diese ach so schwere Krankheit nichts weiter als eine Farce gewesen war, da ich von einer Freundin erfahren hatte das er blendender Gesundheit war als er eine große Sommerparty geschmissen hatte. Dass ich nicht eingeladen war, verstand sich von selbst, allerdings war mir das auch herzlich egal. Zusätzlich, zu den zwei ausgefallenden Sommerbesuchen, hatte ich es dann noch irgendwie geschafft, mich von allen anstehenden Empfängen und Bällen zu drücken, zu denen er ebenfalls geladen war. Allerdings bezweifelte ich, trotz der vergangenen zwei Jahre, dass sich sein Charakter in irgendeiner Art auch nur ansatzweise verändert hatte.

Ein leises stöhnen erinnerte mich daran, das Julia mit Flugangst und weiß wie eine Wand neben mir saß. Wollte oder konnte sie mich einfach nicht verstehen?
«Fein. Wie wäre es, wenn du dann einfach William heiratest? Du magst ihn ja offensichtlich mehr als ich es tue. Das wäre doch die perfekte Aufstiegschance für dich.» Ich verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.
«So war das doch nicht gemeint», protestierte sie. «Jedenfalls nicht so wie du denkst! Ich weiß einfach, wo meine Loyalität liegt.»
«Na, offensichtlich nicht bei mir.» Sollte sie, als meine beste Freundin, nicht ohne wenn und aber hinter mir stehen? Anscheinend nicht. Sobald ich die Worte ausgesprochen hatte, taten sie mir bereits leid, doch das sagte ich ihr nicht.
Den Rest des Fluges schwiegen wir.


«Eure Majestät, wir werden uns in kürze in den Landeanflug auf United City begeben. Bitte legen sie die Sicherheitsgurte an.» Die Ansage des Piloten hallte durch das Flugzeug.
Julia zog scharf die Luft ein. Schlagartig verrauchte meine Wut vollends.
«Hey Juli. Tief Ein- und Ausatmen okay? Du hast es gleich geschafft.»
Sie nickte heftig und griff nach meiner Hand. Ihre war schweißnass.
«Danke, Lili.» Ihre Stimme zitterte wieder.
«Für dich Immer», entgegnete ich einfühlsam. Unsere Auseinandersetzung war bereits kein Thema mehr. Genau das war es warum ich Julia so liebte. Sie wusste wie schwer mir diese ganze Sache viel und nahm meine gelegentlichen Ausraster nicht immer für wahre Münze.

Weniger als fünf Minuten später setzte die Maschine auf der Landebahn auf und ich konnte spüren, wie die Anspannung schlagartig  von Julia abfiel. «Lili?»

«Mh?»
«Können wir für die Rückfahrt ein Schiff nehmen?»
«Ähm, keine Ahnung. Ich werde mich mal erkundigen, in Ordnung?»


Die Tür zum Cockpit des Piloten öffnete sich mit einem Klicken und Rogers betrat den Rumpf des Flugzeuges. «Eure Majestät.» Er verbeugte sich. «Ihr werdet bereits erwartet.»
Was? Mein Blick schnellte zu einem der Fenster. Auf dem Rollfeld stand eine schwarze Limousine, die von mindestens dreißig Wachen flankiert wurde. Gegen die Motorhaube lehnte der ziemlich genervt aussehende William Callahan.
 

ENDE KAPITEL 1


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